Kerle mieten

Briefe an Janis Joplin und ein Tagebuch aus den 1950er Jahren beleuchten eine Mutter-Tochter-Beziehung. (ab 12) (JE) "Vielleicht passiert es einfach im Leben. Vielleicht kann man gar nicht so viel dagegen tun. Vielleicht kommen viele kleine Dinge zusammen, und auf einmal ist man ein Mensch, der man gar nicht sein wollte.“ Lulus Mutter ist es vielleicht so ergangen, denn sie führt ein Leben, für das Lulu nur Verachtung aufbringt. So alltäglich möchte Lulu nie werden. Aus dieser Grundüberlegung heraus entwickelt Kirsten Boie einen unausgesprochenen Mutter-Tochter-Konflikt, geprägt einerseits von der sich zunehmend abnützenden Energie der Mutter, Familie und Job unter einen Hut zu bringen, und der in Briefen an Janis Joplin nach Intensität und Lebensgefühl fragenden Tochter andererseits. Auf dem Dachboden gefundene Tagebücher jedoch führen Lulu vor Augen, dass auch die Mutter einst viel brennendere Fragen an das Leben gestellt hat. Vor allem deren Versuche, ihre eigenen Eltern mit den Schrecken des Holocaust zu konfrontieren, empfindet Lulu als authentisches Bild dessen, was in der Schule bloß als Gelaber herüberkommt. Doch auch, wenn Kirsten Boie ihre Figuren mit viel Beobachtungsgabe und sprachlich sehr genau entwirft, wollen weder die Details des familiären Sittenbildes noch die beiden Erzählstränge so recht zueinander passen: Die unterhaltungsorientierte, titelgebende Gründung einer Kerle-Vermiet-Agentur und daraus entstehende Mehrecksbeziehungen nämlich laufen leider sehr stiefmütterlich nebenher. Breit einsetzbar ab 12 Jahren. *bn* Heidi Lexe